zu Invocavit 2019.

Beim Mittagessen auf einer Fortbildung wurde ich vorgestern angesprochen:

I.

„Ach, du isst ja auch vegetarisch. Zufällig oder auch sonst so?“

„Ja, mir schmeckt das andere nicht. Und du?“

„Ich faste. Zur Fastenzeit esse ich kein Fleisch.“

Ich schlucke hinunter.

„Und warum gerade jetzt? Aus religiöser Überzeugung? Oder Zufällig?“

„Ich sehe das als persönliche Challenge. Mal auf was verzichten. Man muss ja nicht immer Fleisch essen – außerdem gibt es ja noch genug andere leckere Sachen!“

Im Lehrsaal angekommen, den Kollegen fröhlich Gummibärchen naschen gesehen, dachte ich mir: Ja, leckere Sachen wie zum Beispiel tierische Gelatine aus Tierknochen und Knorpeln. Naja.

So schnell wird ein guter Wunsch zu einer ironischen Parabel auf die Menschlichkeit, auf unsere Anfälligkeit der Versuchung gegenüber.

Für sich selbst eine Regel aufzustellen, dieses oder jenes zu tun oder zu lassen, etwa zum Neujahr oder zur Fastenzeit oder einfach so, nach dem Muster „Ab morgen werde ich niiiiiieeeeeeee wieder …“

„Weil morgen, ja morgen, fang’ ich
Ein neues Leben an
Und wenn net morgen
Dann übermorgen
Oder zumindest irgendwann
Fang ich wieder ein neues Leben an“

Eigentlich scheint es doch ganz einfach: Man macht sich einen genauen Plan, wie es ab morgen sein wird, worauf man alles verzichten wird und so weiter.

Und dann? Dann kommt die Versuchung, im umgangssprachlichen Sinn.

Ein Gummibärchen hier.
Ein kleines Bier da.
Nur ein Stück Schokolade.
Nur einmal mit dem Auto zum Bäcker um die Ecke fahren.
Nur ein paar Kilometer bei der Reisekostenabrechnung.
Nur ein paar Euro bei der Steuererklärung.
Nur ein paar Stunden bei der Arbeitszeit.
Nur ein bisschen hier. Nur ein kleiner da. Nur ein paar dort.

Und obwohl wir alle wissen, dass das Schummeln bei der Steuererklärung, bei der Arbeitszeit und so weiter nicht erlaubt ist und obwohl mancher vielleicht ein schlechtes Gewissen hat, so machen es viele doch!

Denn der Versuchung erliegt man leicht.

Und es geht schnell!

II.

Die Bibel umschreibt die Versuchung z.B. mit der Schlange, so zu lesen bei der Geschichte zum Sündenfall Adams und Evas. Sie verspricht: „ihr werdet sein wie Gott“

Nur ein kleiner Apfel.

An anderer Stelle steht im alten Testament „Satan“, der Versucher, der Verführer, der Gegner.

Jesus wird vor seinem Tod von Judas verraten.

Nur ein kleiner Verrat.

Dieses „nur“ kommt von der Schlange.

Ist schon nicht so schlimm, ist doch nur …

Versuchung ist im geistlichen Sinn das Beiseiteschieben Gottes, die Vorstellung,
an Gott vorbei zu leben,
ohne ihn,
ihn nicht zu brauchen.
Als gäbe es die Welt ohne ihn und ohne sein Urteil.

Als bräuchte man nichts außer sich selbst.

Ihn nicht, und auch nicht sein Gesetz.

Und wer an Gott vorbei lebt, der ist doch selbst wie Gott.

  • „Ihr werdet sein wie Gott.“
  • „Ihr werdet Gott nicht mehr brauchen.“
  • „Ihr braucht Gott nicht.“

Sagte die Schlange.

III.

Und dieselbe Schlange ist es, die Jesus selbst versucht hat, wie wir heute im Evangelium gehört haben.

„Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.“

„Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.

„8 Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht* 9 und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.“

Der Versucher lockt damit, quasi „an Gott vorbei“ zu gehen.

Er hat Jesus versucht, an seinem Schicksal,
seiner Bestimmung,
an Gottes Willen vorbeizugehen.

Die Versuchung ist der große menschliche Irrtum, dass er aus sich selbst heraus leben kann und unabhängig vom Universum dahinlebt und nichts und niemanden braucht, auch keinen Gott.

Die Wissenschaft hat (zumindest fast!) alle Fragen geklärt. Vieles was früher noch eine Tat Gottes war, ist heute wissenschaftlich fundiert erklärbar. Viele Fragen aber kann die Wissenschaft nicht beantworten. Das aber nur nebenbei.

Wir leben hier in Europa in großer Sicherheit. Die wir uns selbst geschaffen haben. Dass das, wenn wir die Weltgeschichte anschauen und andere Teile der Welt, nur ein Akt der Gnade sein kann, vergisst man leicht.

Wir brauchen keinen Gott.

  • „Ihr werdet sein wie Gott.“
  • „Ihr werdet Gott nicht mehr brauchen.“
  • „Ihr braucht Gott nicht.“

Sagte die Schlange.

Jesus war wahrer, ganzer und echter Mensch aus Fleisch und Blut. Ganz und gar. Mit allen Ängsten, mit allen Schwächen, mit allem Leid, der gelitten hat wie wir, der versucht worden ist wie wir.

Doch ohne Sünde!

Er hätte all die Wunder vollbringen können, mit denen der Satan ihn versuchen wollte. Er hätte aus Steinen Brot machen können und den Sturz überlebt, wäre er gesprungen.

Aber er wusste, dass er den vollständigen menschlichen Weg erleben musste, von der Geburt bis zum Tod, durch alles Leiden und alle Versuchung hindurch und gegen alle Sünde, um für sich selbst und für alle Menschen die Erlösung zu gewinnen.

Doch ohne Sünde!

IV.

Wir Menschen schaffen das nicht.

Nur ein kleines böses Wort.
Nur eine kleine Beleidigung.
Nur eine klitzekleine Verletzung.

So schnell lauert die Versuchung und bringt uns zu Fall.

Aus der Versuchung wird dann sehr häufig Sünde und mit der Sünde trennen wir uns von Gott und unseren Mitmenschen.

Das ist sozusagen die „Condicio Humana“; so sind wir Menschen eben. Das ist unsere wesentlich Eigenschaft, dass wir eben nicht, wie Christus, ohne Sünde leben können.

Wie kommt man da raus?

Eigentlich ist es recht einfach.

Paulus schreibt:

„Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis!“

Am Bekenntnis zu Jesus Christus! Und damit an der Heiligen Schrift.

Wenn wir Gottes Wort hören und in uns haben, uns zu Jesus Christus bekennen und ihm dienen, dann werden wir aus der Versuchung gerettet werden.

Denn Jesus Christus selbst hat sich aus der Versuchung gerettet und ist gestorben und auferstanden; und genau so wird er uns aus der Versuchung retten und wir werden sterben und auferstehen.

Und wenn wir der Versuchung erliegen? Was dann?

Jesus Christus ist für uns gestorben, zur Vergebung unserer Sünden. Und er schenkt sich uns selbst immer wieder neu im Abendmahl, zur Vergebung unserer Sünden.

V.

Petrus schreibt:

„Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann.“

Darum schreibt Paulus:

„Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.“

Wir haben Hilfe nötig.

Tag um Tag.

Und in Jesus Christus werden wir die Erlösung erfahren, durch seine Gnade, durch seinen Tod und seine Auferstehung.

Und diese Hoffnung führt durch jede Versuchung hindurch zur Erlösung.

Amen.

Alexander
Dozent in der Erwachsenenbildung ~ Referent ~ Theologe

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