Es ist leicht, der Versuchung zu erliegen. Das zeigen diverse Beispiele; eines aber hat mich besonders beeindruckt, nämlich der Fall des Gustl Mollath.
I. Gustl Mollath
Vermutlich kennen Sie die Geschichte:
Er war Ehemann einer Vermögensberaterin in einer großen Nürnberger Bank. Dadurch erfuhr er zu Anfang dieses Jahrhunderts von kriminellen Machenschaften innerhalb der Bank und auch durch seine Ehefrau. Inzwischen hat es sich bestätigt: die Bank hat systematisch Gelder von Bürgern aus dem Bereich Nürnberg in die Schweiz geschafft, am Fiskus vorbei. Das hat die Bank in einer internen Untersuchung 2012 selbst festgestellt.
Gustl Mollath wurde von seiner damaligen Ehefrau bedroht, er solle „die Klappe halten“, dann bekäme er 500.000 €. Wenn er nicht schweigen würde, würde sie ihm etwas anhängen und dafür sorgen, er würde in einer Psychiatrie weggesperrt.
So kam es dann auch, denn Gustl Mollath hat nicht geschwiegen. Seine Exfrau erfand eine körperliche Auseinandersetzung sowie mehrere andere Straftaten und schuf zusammen mit einer Freundin eine „Stellungnahme“, dass er gemeingefährlich sei.
2006 wurde Gustl Mollath schließlich für schuldunfähig befunden und wegen einer angeblichen psychiatrischen Erkrankung und Gemeingefährlichkeit in der Psychiatrie zwangsweise untergebracht.
2013 wurde er schließlich freigelassen.
Inzwischen hat er den Freistaat Bayern auf knapp zwei Millionen Euro Schadenersatz verklagt.
II. Sünde ist einfach
“Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden.“
Angefangen hat es vielleicht als Kleinigkeit:
Erst ein kleiner Betrag, der weggeschafft werden musste.
Eine kleine Gefälligkeit.
Ein kleines Entgegenkommen.
Und mindestens ein Mitwisser, der natürlich auch beruhigt werden musste.
Dann ein größerer Betrag.
Eine größere Gefälligkeit.
Ein größeres Entgegenkommen.
Und wieder mindestens ein Mitwisser, der wiederum beruhigt werden musste.
Immer größere Beträge schließlich. Und immer mehr Mitwisser.
Es zog immer weitere Kreise, wurde immer unübersichtlicher, unkontrollierbarer.
Bis zum eigenen Ehemann.
Die Gefahr wurde zu groß; es musste etwas getan werden.
Und so folgt aus dem Bösen das Böse. Der Abgrund ruft aus dem Abgrund.
Bestechung. Bedrohung. Verrat. Intrige. Verurteilung. Psychiatrie.
Durch die eigene Ehefrau. Durch Staatsanwälte, Richter und Politiker.
Der hier entstandene Strudel, die Abwärtsspirale der Dunkelheit war den Akteuren womöglich nicht bewusst. Wie es oft so ist, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Denn solche Spiralen gibt es zuhauf und oftmals merken wir es gar nicht, schon gar nicht, wenn wir darin sind. Oft lässt sich das Handeln des Bösen erst im Nachhinein sicher feststellen, wenn man den ganzen Ablauf im Blick hat und die einzelnen Schritte betrachten kann.
Denn nur sukzessive, Schritt für Schritt, “nur“ ein bisschen hier, “nur“ wenig da, “nur“ eine Kleinigkeit dort, rutscht man immer tiefer und kommt nicht mehr heraus. Egal, ob es um Geld geht, um Worte, um Macht, um Menschen – es ist egal. Stück für Stück arbeitet das Böse.
Genau wie beim Biss einer Schlange.
Erst ist der Biss nur klein und unscheinbar, scheint unter Kontrolle, ist ja nur ein kleiner Biss, wird schon nichts passieren. Doch mit jedem Schlag des Herzens pumpt es Blut durch die Adern und verteilt das Gift weiter im Körper. Erst macht es uns benommen, verwirrt. Bis es irgendwann die lebenswichtigen Funktionen angreift und den Menschen unweigerlich umbringt.
Bei der Sünde ist es genau so. Jedoch sind wir als Menschen von Geburt an damit infiziert, wir können nicht aus, das ist die Conditio Humana; so sind wir Menschen eben. Anfällig für die Versuchung, für die Sünde, für die Schuld.
Und deshalb ist all das so präsent in unserer Welt. Die Versuchung lauert vor der Tür, wie ein brüllender Löwe.
Dieses Gift fließt Tag für Tag durch unsere Adern, auch wenn es noch unter Kontrolle scheint. Doch es fließt, gepumpt von unserem Herzen durch den Körper, macht uns benommen, schwach und anfällig — und irgendwann werden wir, gerechterweise, daran sterben.
III. Num 21, Die eherne Schlange
Das Volk „redete wider Gott und wider Mose [… und] der HERR [sandte] feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk. Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine Schlange aus Bronze und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.“
IV.
“Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er hat nicht geglaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.“
Wo ist die Rettung?
Die Rettung kommt von oben.
Wer vergiftet ist, der soll auf die Schlange schauen, und wird leben.
Wer in der Sünde ist, der soll auf Christus schauen und wird leben, wird erlöst, erhält das ewige Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch ihn. Ohne ihn gibt es keine Erlösung und wir müssten ewig sterben.
Kein Mensch kann sich selbst retten, niemand kann sich an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.
Weil wir abhängig sind,
zum Tode verurteilt.
Das Gift wirkt. Tag für Tag. Schlag für Schlag.
Jedoch:
Allein aus seiner göttlichen Gnade heraus werden wir leben.
Nicht, weil wir einen Anspruch darauf hätten.
Sondern weil sein Licht alles aufdeckt,
alle Schuld und Sünde,
Weil es uns erlöst,
Und frei macht,
Von der Last der Sünde.
Denn die Dunkelheit, das Böse, Versuchung und Sünde – all das wird am Ende der Zeit keinen Bestand haben.
V. Wie?
Wenn ich das alles jetzt so zusammenfassen würde, dass die Erlösung nach dem Tod kommt und hier auf der Welt alles so ist wie es ist und sich nie ändern wird, dann ist das zwar auf der einen Seite wahr.
Auf der anderen Seite jedoch ist es zu kurz gedacht, denn das Reich Gottes ist mitten unter uns.
Die Erlösung geschieht außerhalb von Raum und Zeit, lässt sich nicht auf einen Zeitpunkt, den Tod, einengen. Denn sie ist größer und umfassender und befreiender als alles, was wir uns vorstellen können.
Auf Christus schauen, das kann vieles bedeuten:
- Sich ehrlich und redlich verhalten,
- Lieb zu einander sein,
- Ein nettes Wort sagen,
- Sich manchmal auf die Zunge beißen,
- Aufrichtig sein,
- Sich selbst und seine Mitmenschen spüren,
- Auf Gott hören,
- Auf die innere Stimme hören,
- An Gottes Plan mitarbeiten,
- Gnade vor Recht ergehen lassen,
- verzeihen,
- vergeben,
- um Vergebung bitten,
- glauben,
- hoffen,
- lieben,
- Über allem: Lieben.
- In der Liebe sein,
- Die Liebe leben.
All diese Dinge – und noch viel mehr! – tue ich, wenn ich auf Christus schaue, weiß, dass ich gerechtfertigter Sünder bin, dass ich erlöst bin, dass das Gift keine Wirkung mehr hat, dass ich leben werde, ewig leben werde, dass ich mithineingenommen bin in das himmlische Freudenmahl, dass ich sein werde bei Gott und dass Gott ist bei mir.
Ich kann versauern, depressiv werden und mein Schicksal beweinen.
Aber jetzt und hier die Auferstehung leben, den Aufstand leben, gegen die Welt, gegen die Mächtigen, gegen die Herrscher, für Christus, für unsere Erlösung.
Das alles kann ich jetzt schon tun.
VI. Schluss
Wir sind in der Passionszeit und denken an Sünde und Schuld, das Leiden und Sterben Jesu Christi.
Ein Gedanke soll uns aber durch diese Zeit hindurch tragen:
Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.
Für uns.
Hier und Jetzt.
Und im ganzen Universum.
Und in Ewigkeit.
Amen.
Predigtlied EG 362, 1-4, „Ein feste Burg ist unser Gott“