zum Karfreitag 2022.

Am Karfreitag findet die Passionszeit ihren traurigen Höhepunkt. Nachdem Jesus das letzte Abendmahl gefeiert hat, gefangengenommen, verhört und schließlich verurteilt wurde, denken wir heute an seine Kreuzigung, an seinen Tod.

Es steht fest: Jesus ist tot.

Pause.

Als Präparand habe ich immer gedacht, Weihnachten wäre das wichtigste Fest im Christentum, schließlich wurde Jesus da ja geboren. Wahrscheinlich ging oder geht es den meisten so.

Mit der Zeit wurde mir aber immer bewusster, daß das so nicht ganz richtig ist, daß das nur der Anfang ist. Das wichtigste Fest ist Ostern, denn ohne das Osterwunder des leeren Grabes gäbe es kein Christentum. Wäre Jesus also nicht auferstanden, hätte es kein leeres Grab gegeben, wären wir nicht hier.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn der Karfreitag ist mindestens genauso wichtig. Und weil ich weiß, daß es viele Menschen gibt, die mit diesem Tag nichts anfangen können, ist mir immer wichtig, das zu betonen: Ohne den Karfreitag gibt es kein Ostern, ohne den Tod gibt es keine Auferstehung vom Tod. Punkt. / Das ist erstmal ganz logisch und vom Kopf her nachvollziehbar, glaube ich.

Wenn wir uns aber mit den Umständen der Kreuzigung befassen, dann können wir mit dem Herzen erkennen, warum der Karfreitag eigentlich unendlich wichtig und wertvoll ist; daß er uns buchstäblich vor Augen führt, worum es in unserem Glauben geht; daß er uns mit dem Herzen fühlen lässt, was Jesus für uns vollbracht hat.

Diese Umstände werden im Evangelium nach Lukas berichtet, und zwar im 23. Kapitel:

Lesung des Predigttextes

I. Das Volk Israel.

Jesus wird verraten und unter falschem Vorwand verhaftet und soll hingerichtet werden. So wollen es die religiösen Anführer. Denn sie haben Angst vor ihm. Der römische Statthalter Pilatus und der jüdische König Herodes halten ihn aber für unschuldig, doch die Pharisäer bleiben dabei und wollen ihn als Volksverhetzer sterben sehen.

Ich finde diese Szene immer wieder verstörend! Denn, ich weiß, daß die Pharisäer falsch liegen, ich weiß, daß Jesus recht hat, ich weiß, daß er der Christus ist. Ich weiß, daß er unschuldig ist.

Aber es geht ja noch weiter, denn der Evangelist lässt die Pharisäer Jesus gegen Barabbas eintauschen, gegen einen Mörder und Aufrührer. Ein unschuldiges Leben wird hingerichtet, und ein schuldiges Leben befreit.

Darin liegt die Tragik der Passionsgeschichte: Das Volk hat es damals nicht verstanden, denn sie haben ihren Gott vollkommen vergessen. Sie haben ihn nicht erkannt, sie haben den Messias nicht erkannt, weil sie so sehr in ihren Regeln und Geboten und Vorschriften feststeckten, daß sie nicht begriffen haben, worum es eigentlich.

In der katholischen Karfreitagsliturgie gibt es einen Gesang, die Improperien, die Vorwürfe Gottes an sein auserwähltes Volk.

Hier wird schön deutlich, welche Grausamkeit kosmischen Ausmaßes das Volk hier begeht:

Jesus war es, der das Volk Israel aus Ägypten geführt hat; zum Dank haben sie Jesus gekreuzigt.

Er hat für das Volk die Erstgeburt in Ägypten geschlagen; zum Dank haben sie Jesus geschlagen und dem Tod ausgeliefert.

Er hat den Pharaoh im Roten Meer versinken lassen; zum Dank haben sie Jesus den Hohepriestern ausgeliefert.

Mit der Wolkensäule ist er dem Volk Israel vorangezogen; zum Dank haben sie Jesus vor den Richterstuhl geführt.

Er hat sie in der Wüste mit Manna gespeist; zum Dank haben sie sein Gesicht geschlagen.

Er hat Wasser aus dem Felsen gegeben und das Volk errettet; zum Dank haben sie ihn mit Galle und Essig getränkt.

Er hat das Volk erhöht mit großer Kraft; zum Dank haben sie ihn am Kreuz erhöht.

Wegen seines Volkes hat Jesus die Könige Kanaans geschlagen; zum Dank haben sie ihn mit einem Rohr auf den Kopf geschlagen.

Er hat dem Volk das Königszepter in die Hand gegeben; zum Dank haben sie ihn gekrönt mit einer Dornenkrone.

Kurt Marti, evangelischer Pfarrer und Dichter, hat es anders auf den Punkt gebracht:

Der den Wein austeilt, / muß Essig trinken.
Der die Hand nicht hebt zur Abwehr, / wird geschlagen.
Der den Verlassenen sucht, / wird verlassen.
Der nicht schreien macht, / schreit überlaut.
Der die Wunde heilt, / wird durchbohrt.
Der den Wurm rettet, / wird zertreten.
Der nicht verfolgt, nicht verrät, / wird ausgeliefert.
Der nicht schuld ist, der Unschuldige / wird gequält.
Der lebendig macht, / wird geschlachtet.
Der die Henker begnadigt, / stirbt gnadenlos.

Die Israeliten haben es nicht verstanden, sie haben Gott vergessen und haben sich in einen krassen Widerspruch zu Gott versetzt. XX Stattdessen haben sie ihn verspottet, ihn angeschrien, geschlagen, gequält, angespuckt, leiden lassen und hingerichtet.

Pause.

Damit erweist er sich als unendlich gnädiger Gott, als der Heiland und Erlöser, als als gnädiger Gott. Er

Doch Jesus bittet trotzdem um Vergebung für das verblendete Volk. Denn er ist sich sicher; es weiß nicht, was es tut.

Damit erweist er sich als unendlich gnädiger Gott, als der Heiland und Erlöser, als Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst, als gnädiger Gott. Er rechnet dem Volk seine Verblendetheit nicht zu.

II. Der neue Weg nach Ostern.

Und dann haben wir die Szene am Kreuz, die sehr schön ausgestaltet ist:

Neben Jesus sind zwei Verbrecher gekreuzigt worden. Der eine verspottet, verlaut und fordert ihn heraus wie das Volk.

Der andere Übeltäter, der hat es aber verstanden. Er hat Jesus als den Christus, als den Messias, erkannt und seine Schuld und die Strafe als gerecht begriffen. Damit war er dem Volk Israel und dem ersten Übeltäter einen großen Schritt voraus.

Und Jesus hat das gesehen. Ihm wird nicht nur die allgemeine Vergebung zugesagt, die das dumme Volk erhalten hat, sondern ihm wird das Paradies zugesprochen. Das ist ein qualitativer Unterschied. Der zweite wird sein mit Jesus im Paradies, im Himmel, an seiner Seite. Das lässt tief blicken, in Gottes Gnade und Liebe für die Menschen.

Doch dann passiert etwas, womit glaube ich niemand gerechnet hat: Die Welt fällt in Dunkelheit. — und zwar drei Stunden lang! Die Sonne verlor ihren Schein, die Vögel haben aufgehört zu zwitschern, alles war still.

Dieser Text ist so schön komponiert, wenn wir haben hier wieder einen Gegensatz: Auf der einen Seite Jesu Zusage, Jesu Vergebung, das Versprechen auf das Paradies, auf das Licht; und das dumme, verblendete Volk auf der anderen Seite, das in der Dunkelheit bleibt. Stark.

Stärker aber ist noch, dass der Text bei diesem Gegensatz nicht stehen bleibt, denn der Vorhang zerreist. Von unten an in zwei Stücke. Das bedeutet: der Weg ins Allerheiligste, der Weg zu Gott liegt frei.

Das Paradies, das Jesus versprochen hat, die Verheißung der Gemeinschaft mit ihm, die Gnade und die Hoffnung, die da durchschimmern, die Liebe Gottes für sein Volk, die erhält auf den ersten Blick nur der reuige Übeltäter.

Auf den zweiten Blick — da schimmert Ostern in der Dunkelheit! — gilt diese Zusage aber auch für das Volk Israel. Es gibt es einen Weg. Und der führt eben durch Gott. Dieser Weg liegt offen für alle Menschen. In der Dunkelheit, in der Finsternis, da zeigt sich das Paradies, da zeigt sich die Liebe Gottes.

III. Jesus ist ein Vorbild.

Hier ist Jesus uns ein Vorbild.

Er geht diesen Weg vor uns her. Er vergibt dem Volk, das ihn so geschlagen hat, er vergibt dem Mörder am Kreuz, er vergibt dem ganzen Volk, er ebnet den Weg, entzweit den Vorhang, öffnet das Tor zum Vater. Niemand kommt zum Vater denn durch ihn. Und wer ihm nachfolgt, der wird das ewige Leben haben.

Das ist Karfreitag.

Er vertraut auf Gott. Gibt sich Gott hin, vertraut auf sein Urteil,
lässt es geschehen.

Das ist Karfreitag.

Und er stirbt.

Wir sollen von Jesus lernen. Ganz auf Gott zu vertrauen und auf seine Zusage und auf seinen Plan, wenn es auch noch so unwirklich erscheint. Jesus selbst hat im Garten Gethsemane noch versucht, mit Gott zu handeln, daß ihm dies alles erspart bliebe. Keine Chance.

Er geht den Weg, er geht den Weg ans Kreuz, trotz Angst, trotz Schmerz. Und damit hat er die Sünde des Volkes Israel, die Sünde und Schuld des Verbrechers beglichen. Er hat einen Weg aus der Dunkelheit gezeigt.

Er ist der neue Moses.

Er ist die Rettung in Ägypten und schafft uns heraus.

Er ist die Rettung am Roten Meer und führt uns hindurch.

Er ist die Wolkensäule in der Wüste in der Nacht und führt uns in der
Dunkelheit.

Er ist das Manna und speist uns damit.

Er ist das Wasser aus dem Felsen und stillt unseren Durst.

Er ist die Höhe und erhöht uns.

Er ist der König und ist uns noch näher.

Er hat das Königszepter über den ganzen Kosmus.

Er durchbricht die Dunkelheit und führt uns hinaus ins Paradies.

Conclusio: Es ist schon vollbracht.

Es ist schon vollbracht. Es ist schon alles geschehen. Der Schuldbrief
ist bezahlt. Unsere Schuld ist weggenommen.

Wir sind das Volk, das Gott nicht versteht,
wir sind verblendet und erkennen ihn nicht,
wir sind es, die ihn verachten,
wir sind es, die ihn verspotten,
wir sind es, die das Kreuz aufrichten,
wir sind verblendet.

Doch wir sind auch wie der Übeltäter.

Wenn wir unsere Schuld bekennen.

Wenn wir Glauben und Vertrauen haben.

Wenn wir Hoffen, daß die Dunkelheit nicht von Dauer ist.

Daß er sie durchbricht.

Daß er uns einen Platz an seiner Seite erworben.

Daß wir nichts mehr tun können.

Daß alles schon vollbracht ist.

Jesus liebt uns.

Mehr als sein Leben.

Das ist Karfreitag.

Amen.

Alexander
Dozent in der Erwachsenenbildung ~ Referent ~ Theologe

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