zum 3. Sonntag im Advent 2023

Wir haben heute die Verheißungen im Buch Jesaja gehört, die dem Volk Israel zugesprochen wurden, am Ende des Exils in Babylon. Dass sie sich bereit machen sollen, dass sie den Weg gerade machen sollen, dass sie Hohes tief und Niedriges hoch machen sollen, und die Steige eben.

Wir haben auch gehört von Johannes dem Täufer, wie er dem Volk Buße und Verheißung predigt, und wie er das Volk getauft hat in der Bußtaufe.

Jesus selbst hat sich über Johannes geäußert, sein Wirken eingeordnet und klargemacht und die Verbindung zu Jesaja 40 hergestellt, zu der Stimme, die aus der Wüste geschieht. Davon hören wir in Matthäus 11:

Aus urheberrechtlichen Gründen ist der Text hier nicht wiedergegeben.

I.

Ich erlebe den Advent aktuell so: Es kehrt überall weihnachtlichere Stimmung ein. Das habe ich gerade neulich am 2. Advent erlebt, da war ich zum ersten Mal dieses Jahr am Christkindlesmarkt in Nürnberg, nach der Menschenkette für die Menschenrechte, und — ich fühle es zwar noch nicht so ganz, aber — ich merke langsam, wie sich Weihnachten nähert. Beruflich und privat spüre ich, wie alles ein bisschen ruhiger wird, ich merke, wie wieder Weihnachtsfeiern gefeiert werden, ich merke, wie die Leute ihre Häuser schmücken, wie Lichterketten an Bäumen und Zäunen hängen, ich merke, wie in den Unternehmen die Menschen verspielt sich auf Weihnachten vorbereiten. Zum Beispiel bei mir in der Abteilung — ich arbeite in der Bildungsarbeit — und wir haben ein Skelett in unserem Schulungsraum — und ein Mitarbeiter von mir hat dem jetzt so eine Weihnachtsmütze aufgesetzt, das war ihm wichtig und beginne zu begreifen, warum. Und auch meine Frau fängt an, alles zu schmücken und zu dekorieren, wir haben auch schon einen Weihnachtsbaum gekauft, und bereiten uns vor auf die Weihnachtszeit.

Ich merke natürlich auch, wie jetzt alle einkaufen und sich Geschenke überlegen und sammeln, ich habe auch schon die ersten gekauft. Meine Frau ist da für mich das beste Beispiel: In ihrem Arbeitszimmer ist Weihnachten explodiert, überall liegen Geschenkpapiere, Karten und Bänder herum, und sie kramt Stifte heraus, um schöne Karten zu malen. Pläne werden geschmiedet, wo wir wann und als erste hinfahren. Das ist so ein bisschen die Vorbereitung in der Adventszeit auf die Weihnachtszeit.

Ich merke für mich, wie so langsam die adventliche Stimmung aufkommt, auch bei mir, und ich fand es heute so schön, am Anfang dieses Gottesdienstes, als wir das erste Lied gesungen haben, Wir sagen euch an den lieben Advent. Damit verbinde ich eine meiner schönsten Erinnerungen an meine Kindheit und die Adventszeit, die montags-morgendliche Adventsandacht in der Grundschule A. mit Frau P. Da habe ich den Advent so richtig gespürt.

Und all das ist vermutlich nicht nur mir in den letzten Jahren so ein bisschen abhandengekommen, die Coronajahre haben viel kaputt gemacht. Umso schöner ist es, dass wir diese Zeit nun in relativer Ruhe genießen können, uns darauf einlassen können, was kommt und worum es geht.

II.

Advent bedeutet Ankunft des Herrn. Wir haben heute ja schon wichtige Texte gehört: Wir haben von der Verheißung in Jesaja 40 gehört, gesprochen in eine Zeit am Ende des Exils, der Vertreibung aus der Heimat des Volkes Israel. Wir haben bei Matthäus den Predigttext gehört, von Johannes, der die Buße gepredigt hat, die Umkehr, und das Volk getauft hat mit der Bußtaufe. Wir haben von der Erwartung des Erlösers gehört und der Vorbereitung auf sein Kommen. Es geht darum, sich vorzubereiten.

Einerseits, mit den ganz profanen Dingen, über die habe ich bereits gesprochen. Ich habe da nur an der Oberfläche gekratzt. Sie alle wissen genau und viel besser als ich, was Sie zu Hause tun, was gerade ansteht.

Auf der anderen Seite ist der Advent — wie die Passionszeit — eine spirituelle Zeit, ein spirituell-religiöses sich-bereit-Machen für unseren Erlöser. Bei Jesaja lässt sich schön nachlesen, was das bedeutet: dem Herrn den Weg machen, eine ebene Bahn schaffen, die Täler erhöhen, die Berge erniedrigen, Unebenes gerade, Hügeliges eben machen. Was ursprünglich ganz praktisch gedacht war, dass der Weg eben und gut zu befahren ist, lässt sich auch übertragen verstehen: Der Herr wird kommen wie ein Hirte und seine Herde weiden. Und diesem unserem Herrn gilt es, den Weg bereitzumachen.

Vielleicht haben Sie es schon bemerkt. Vielen ist es auch bereits bekannt, aber ich erkläre es immer wieder gerne. Wenn Sie sich mal die Paramente anschauen, hier an der Kanzel, am Pult oder am Altar. Das sind violette Paramente. Die Farbe Violett steht im Kirchenjahr immer für Bußtage und Vorbereitungszeiten, zum Beispiel die Passionszeit oder der Buß- und Bettag. So ist eben der Advent auch eine Zeit der Vorbereitung und Buße. Deshalb wurde heute kein Halleluja gesungen, kein Gloria und kein Glorialied.

Johannes macht das schön vor: Er lebt ein asketisches Leben, isst Heuschrecken und wilden Honig und kleidet sich mit Kamelhaaren und einem ledernen Gürtel. Er lebt in der Vorbereitung.

Und Jesus sagt über ihn, dass er der Prophet ist, der vorangeht, der den Weg bereit macht.

Das Bild, dass Sie gerade erhalten haben, ist mir bei der Vorbereitung sofort in den Sinn gekommen. Sie sehen darauf Johannes den Täufer nach einem Gemälde von Leonardo da Vinci aus dem 16. Jahrhundert. Johannes lächelt und zeigt mit den Fingern der rechten Hand nach oben. Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie vielleicht sogar ein Kreuz, das eigentlich ein Stab ist, den Johannes in der Rechten hält. Johannes wirkt wie ein Kreuzträger, der einer Prozession vorangeht. Johannes deutet auf Christus hin.

Johannes tauft das Volk mit Wasser zur Buße. Jesus aber, der ihm nachfolgen wird, der wird mit dem Heiligen Geist taufen. Johannes ist der Prophet, von dem geschrieben steht: „Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der einen Weg vor dir bereiten soll.“ Johannes ist der Kreuzträger, der vorweggeht.

Johannes soll den Weg bereiten, damit der Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater und Friedefürst kommt.

III.

Darauf weist Johannes hin mit seinem ganzen Leben, mit seiner Verkündigung von Buße und Umkehr.

Das griechische Wort für Buße und Umkehr lautet μετανοια. Und da muss ich einer Freundin danken, die heute auch hier ist, dass sie mich auf diese Bedeutung hingewiesen hat.

Metanoia klingt fast wie Paranoia. Paranoia heißt wider den Verstand, meint also übertriebene Ängste und Befürchtungen. Metanoia meint Umkehr und Buße, bedeutet aber eigentlich hinter dem Verstand. Es geht um etwas Neues, es bedeutet Aufbruch und Veränderung, es heißt Umkehr und Buße. Adventszeit ist Metanoiazeit, Umkehrzeit und Bußzeit.

Umkehr ist etwas völlig anderes als Gänsebraten planen, Termine vereinbaren und Geschenke zu sammeln.

Umkehr ist etwas völlig anderes als nur auf Weihnachten hinzuarbeiten und alles perfekt zu machen.

Umkehr ist etwas völlig anderes als das, Buße ist etwas völlig anderes als das, was wir gemeinhin darunter verstehen.

Johannes spricht vom Neuwerden. Johannes spricht davon, sich auf das nahe herbeigekommene Reich Gottes vorzubereiten, er spricht davon, seine Kleidung und sein Essen zu teilen.

Dahinter steckt ein neues Denken: Metanoia. Hinter dem Verstand. Nach dem Verstand.

Metanoia ist ein hinteres Denken, ein verändertes Denken, ein neues Denken.

Metanoia ist, wenn ein Reicher einem Armen etwas abgibt.

Metanoia ist, wenn jemand bei der Tafel arbeitet und so Gott die Ehre gibt.

Metanoia ist, wenn wir als Kirche Menschen aufnehmen und annehmen, so wie sie sind.

Metanoia ist, wenn wir die Steige eben machen, Krummes gerade machen. Metanoia ist, wenn wir Hohes erniedrigen und Niedriges erhöhen.

Metanoia ist, wenn wir in unseren Beziehungen versuchen, hinter das Denken zu kommen, hinter den Verstand, der vergleicht und rechnet, streitet und durchsetzt.

Metanoia ist, wenn wir ein anderes Welt- und Menschenbild leben und zeigen. Metanoia ist, wenn wir in Wirtschaft und Kirche den Menschen ins Zentrum stellen, der bedürftig ist, der dazugehören will, der mitarbeiten will. Metanoia ist, wenn wir uns einander und gegenseitig so wichtig nehmen wie uns selbst.

Metanoia ist, wenn ich nun im Advent mein ganzes Leben hinterfrage und schaue, wie ich so auf Christus hinweisen kann, mit meinem ganzen Herzen und all meiner Kraft.

Metanoia ist einfach die völlige Veränderung, die vollständige Hinterfragung dessen, wer und was ich bin.

Dazu ruft Johannes auf, indem er auf Christus zeigt.

Denn Christus ist der Herr.

Und wenn der kommt, dann wird alles neu, dann wird kein Stein auf dem anderen liegen bleiben, dann wird jede Steige eben und alles Krumme gerade.

Das bedeuten Metanoia, Umkehr, Buße.

Der Advent ist keine abstrakte Zeit, eine Übergangszeit hin zu Weihnachten und zum neuen Jahr.

Der Advent ist eine Zeit, wo es darum geht, sich bereitzumachen. Sich zu hinterfragen, wie man Gott die Ehre geben kann. Wie man mein Leben verändern lassen kann. Wie man dahinter kommt, worum es eigentlich geht.

Metanoia, und eben nicht Paranoia. Nicht Angst vor irgendwelchen schlimmen Dingen, nicht Angst vor einer Pandemie, nicht Angst vor einer Gruppe, nicht Angst vor einem Coronavirus, nicht Angst vor Krieg, nicht Angst vor Armut, vor Inflation — selbst wenn und trotz dessen, dass diese Dinge uns tagtäglich betreffen und bedrohen. Auch, weil wir darüber keine Macht haben.

Metanoia ist, diesen Dingen in der Gewissheit der Erlösung durch ihn mit lautem Lachen zu begegnen.

Das ist Metanoia. Das ist Umkehr. Das ist Buße.

Schauen Sie sich den Johannes nochmal an: Er lächelt. Er sitzt im Gefängnis und wartet auf sein Todesurteil, und doch lächelt er. Er hat die Metanoia verinnerlicht, er ist dahinter gestiegen, hat es verstanden. Er weiß, wer sein Herr ist.

Macht die Täler hoch, die Berge und Hügel niedrig, das Unebene gerade, das Hügelige eben — dieses alles auch und vor allem in euch selbst. Denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden.

Metanoia. Kehrt um. Ändert euer Leben. Hinterfragt euer Leben.

Worum geht es im Advent? Zwischen all den Geschenken, Adventskränzen und Kalendertürchen. Zwischen all den Terminen und dem Weihnachtsstress.

Es geht um:

Veränderung.
Neu Werden.
Anders Werden.
Und Jesus Christus den Weg bereiten.
Mit ganzem Herzen; und aller Kraft; ohne Angst.

Amen.

Alexander
Dozent in der Erwachsenenbildung ~ Referent ~ Theologe

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