zum Erntedankfest 2019.

Zum Geburtstag wünscht man sich die verschiedensten Dinge. Noch als kleiner Junge habe ich mir vor allem Spielsachen gewünscht, später dann Bücher und noch später dann immer öfter Geld oder Gutscheine bekommen, weil meine Eltern nicht wussten, was sie mir schenken sollten.

Und jetzt bin ich 27, bald 28, und habe schon von Berufswegen einen anderen Blick auf die Dinge. Ich will nicht jammern, aber mir wird langsam klar, dass diese Zeit jetzt in meinem Leben vermutlich der Gipfel ist. Jünger werde ich nicht und älter ganz bestimmt.

Die Sorgen und Nöte der Menschen wandeln sich mit den Jahren, sind sie anfangs doch eher materieller Natur, so wünscht man sich zunehmend die einfachen Dinge.

Sterbende beispielsweise sagen meist nie, dass sie sich statt eines Fiat doch lieber einen Porsche gekauft hätten. Oder, dass sie vielleicht besser nicht in Telekom-Aktien investiert hätten. Oder, dass sie doch eher doch studiert hätten.

Nein, nein, im Rückblick ist viel wichtiger:

Gesundheit.

Familie, Freunde, Gemeinschaft.

Ruhe, Entspannung, Freiheit.

Sicherheit.

Genug zu essen.

Ein Dach über dem Kopf.

Manches sprechen wir vielleicht nicht bewusst aus, manches halten wir für sehr selbstverständlich, aber ich bin mir sicher, wir würden alle ganz schön blöd kucken, hätten wir keine Wohnung mehr oder nichts mehr zu essen, etwa durch Krisen, Krieg, Flucht oder Vertreibung.

In unserer Zeit und hier in Europa muss man sich da – Gott sei Dank! – keine allzugroßen Sorgen machen; damals, im alten Israel aber, kurz nach dem babylonischen Exil, kannte diese existentiellen Nöte und Ängste.

Und in diese Zeit hinein spricht der Prophet Jesaja von Hungernden, Obdachlosen, Nackten, Kranken:

Lesung: Jes 58,7–12

II. Bedingung

Wir sollen mit den Hungrigen zu Essen geben, die Obdachlosen ins Haus führen, Nackte kleiden.

Nur dann werden wir heil werden, nur dann wird der HERR uns antworten.

Das ist die alttestamentliche Sicht auf die Welt.

Wer einen guten Lebenswandel hat, den liebt Gott. Wer sich angemessen verhält, den liebt Gott. Wer die Gesetze ganz und gar achtet, den liebt Gott.

Werkgerechtigkeit nennen wir das. Gerecht werden nur aus Taten.

Wobei man das hier im Kontext des Predigttextes anders sehen muss.

Israel hat den Schrecken des Exils mitgemacht. Die totale Entwurzelung. Ein Leben fern der Heimat, zwei Generationen lang. Umgesiedelt durch die Babylonier, einfach herausgerissen.

In so einer Zeit muss das soziale System funktionieren, man muss aufeinander achtgeben. Und folgerichtig, so haben es die damaligen Menschen richtig beobachtet, wirkt sich das auf die Zufriedenheit des ganzen Volkes aus.

Nach dem Exil, aus dieser Zeit stammt der Text, mahnt der Prophet mit diesen selben Werten und verknüpft diese mit der Gnade und der Zuwendung Gottes.

Wer sich kümmert, den hört Gott.

So als wäre Gott so eine Art Automat: Geld rein, Schokoriegel raus. Nackte kleiden, Barmherzigkeit raus. Hungernden zu Essen geben, Gnade raus.

III. Gnade

Heute wissen wir, dass es doch so einfach nicht ist. Das Leben ist wirr und konfus, man glaubt, man hätte es geschafft und sein Ziel erreicht, da kommt schon die nächste Katastrophe um die Ecke.

Auch ist klar geworden, dass Gott eben kein Automat ist, kein Selbstbedienungsfeld, wo man sich die schönsten Blumen selbst schneiden kann und selbst bezahlt.

Unser Leben ist nicht perfekt. So wie überhaupt nichts in dieser Welt perfekt ist.

Unsere Welt durchzieht ein Riss, wir sind getrennt von Gott.
Da wäre doch ein Gott, der wie ein Lieferservice funktioniert, gerade recht.
Tut man dies, ist er gnädig. Tut man das, ist er barmherzig.

Klingt komisch?

Genau genommen leben wir doch so.

Wir wissen alle, wie es um das Klima steht.
Wir wissen alle, wie schlecht die Bauern verdienen.
Wir wissen alle, wie sehr die Tiere leiden,
die Roulladenrinder, die Schnitzelschweine, die Martinsgänse, die Weihnachtsenten.

Bio-Laden.

Bio-Fleisch rein, gutes Gewissen raus.
Bio-Milch rein, Zufriedenheit raus.
Bio-Käse rein, Erlösung raus.

Außerdem hab ich die Sachen mit meinem Bio-Öko-Elektro-SUV eingekauft!
Und ich spende für den Nabu!
Und ich hab sogar ein Insektenhotel im Garten!

Wir leben nach dem Motto, dass wir jederzeit Perfektion schaffen können.

Ja sicher, die Tiere leiden, aber immerhin isses Bio! Tierwohl und so.

Ja sicher, die Flüchtlinge ertrinken im Mittelmeer, aber immerhin haben wir die Rettungsschiffe. Damit ist denen ja auch viel geholfen.
Der Mensch denkt so kurzfristig, von zwölf auf Mittag.
Und er meint, wir meinen, ich meine, dass ich den alles durchdringenden Riss durch die Welt mit meinen Handlungen wieder gutmachen könnte.

Gute Tat rein, Gottes Liebe raus.

Genau das ist aber der Knackpunkt.

Was muss ich tun, damit Gott mir gnädig ist?

IV. Dankbarkeit

Dankbarkeit ist so eine Sache.

Mir wurde als Kind immer gesagt, ich muss mich immer bedanken.

Wenn ich ein Stück Gelbwurst vom Metzger bekam: „Dankeschön“

Aber auch, als ich zum Geburtstag Klamotten geschenkt bekommen habe – welches Kind will den schon Kleidung zum Geburtstag? – hätte ich mich bedanken sollen. Ich habe stattdessen geweint und war wohl sehr wütend. Ich hätte nur „danke“ sagen sollen. Später, als ich mich beruhigt hatte, hat mir mein Opa dann so regenbogenfarben schimmernde Glassteine geschenkt. Ich habe damals gelernt: Danke sagen, auch wenn’s komisch ist, vielleicht gibt’s noch mehr.

Wir Menschen sind wie Kinder.

Danke sagen
für das Dach über dem Kopf?
für das Essen jeden Tag?
für den so stressigen Beruf?
dafür, dass im Moment wenigstens nur ein Knie Ärger macht?
für die unförmige Gurke im Supermarkt?

Stattdessen sehen wir auf die Defizite.

Nicht das, was wir haben macht uns glücklich, sondern das, was wir nicht haben macht uns unglücklich.

Und genau das ist das Problem.

Mein Opa hatte schon recht, auch wenn ich glaube, dass das ein Erstklässler anders lernen hätte müssen.

Mein Opa wurde im Krieg vertrieben und hat in Hersbruck eine neue Heimat gefunden. Er wusste, was es heißt, auf einmal nichts mehr zu haben, nur mit einem Bollerwagen und den nötigsten Habseligkeiten die Heimat für immer zu verlassen. Fotoalben, Erinnerungen, Kleidung, Geld und Schmuck – vieles davon wurde nie wieder gefunden.

Dankbar sein, für das, was man hat.

Dankbar sein für das Dach über dem Kopf,
das tägliche Brot, dass wir nicht hungern müssen,
für die Menschen, die dafür arbeiten, dass wir nicht hungern müssen,
die Bauern,
die Erntehelfer,
für den Beruf, immerhin haben wir einen.

Ich glaube, das kann viel bewegen, wenn man sich ganz und gar bewusstmacht, dass die Welt kein Automat ist, dass nichts selbstverständlich, geschweigedenn für immer ist.

Da füllt niemand nach.
Nie.

Die Ressourcen sind da.
Und irgendwann sind die weg.
Für immer. Oder zumindest für sehr lange.
Erdöl und Erdgas z.B. haben sich über Millionen von Jahren gebildet.
Bis da Neues entsteht, können wir mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen.

V. Erlösung

Also, wie wird man glücklich, wie kommt man der Erlösung nahe?

Ich glaube, es ist relativ einfach.

Schritt 1: Anerkennen, dass die Welt endlich ist und dass mein Leben endlich ist. Irgendwann sterben wir. Das ist die harte Grenze, da gibt es kein Entrinnen. Alles ist Staub und fällt irgendwann dem Chaos anheim. Das klingt jetzt erstmal dramatisch, aber ich würde das nicht zerdenken, sondern dankbar sein für jede Sekunde, jede Minute, jeden einzelnen Tag, den Gott einem schenkt.

Schritt 2: Sich bewusst machen, dass die Ressourcen der Welt endlich sind, dass nichts von ewiger Dauer ist. Alles geht irgendwann kaputt, alles hat ein Ende, nicht nur ich selbst, sondern auch die Welt, in der ich Lebe. Alles ist nur Staub und fällt irgendwann dem Chaos anheim.
Verantwortungsvoll mit dem umgehen, was ich habe, das ist wichtig. Wer produziert mein Essen? meine Kleidung? Dankbar sein für jeden einzelnen. Und sich sorgen. Und sich kümmern.

Schritt 3: Sich klar machen, dass es allein Gott ist, aus dem die Gnade meines Lebens und dieser Welt kommt. Dass zwar alles nur Staub ist und irgendwann mit dem Wind davongetragen wird, aber auch dass Gott selbst diesen Staub zusammenhält und ihm eine Ordnung geht. Ja, die Welt wird enden und ich werde enden, die ganze Menschhheit und das ganze Universum werden enden. Ja, alles ist Staub, alles wird verstreut und in die Bedeutungslosigkeit getrieben. Aber Gott, der allmächtige Herr, hält alles zusammen. Aus Gnade. Nicht, weil wir irgendwelche Regeln einhalten, sondern weil er uns liebt.

VI. Schluss, Kanzelsegen

Dazu habe ich den Predigttext etwas umgeschrieben:

  1. Dein Licht wird hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
  2. Du wirst rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Dein Licht wird in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.
  3. Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.
  4. Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: »Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne«.

Wir müssen nichts tun.

Wir können nichts tun.

Gott weiß das.

Und doch verlangt er alles von uns.

Und doch verschenkt er sich uns.

Jeden Tag.

Mit jeder Speise.
Durch jeden, der sie herstellt.
Im Abendmahl.
Durch die Gemeinschaft.
Durch die Familie.
Durch Freunde.

Der lebendige Gott.
Der allmächtige Gott.
Der barmherzige Gott.

Kostenlos.
Umsonst.
Für uns.

Ohne den Herrn wird nichts Bestand haben.

Dafür können wir dankbar sein.
Dafür müssen wir dankbar sein.

Und der Friede Gottes… Amen.

Alexander
Dozent in der Erwachsenenbildung ~ Referent ~ Theologe

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