zum 11. Sonntag nach Trinitatis 2019

Liebe Brüder und Schwestern,

die Sache mit der Gerechtigkeit ist eine große Sache. Da könnte man ja meinen, jemand, der hart arbeitet, sich nach Kräften bemüht, sich wirklich anstrengt und alles richtig macht, würde irgendwann zum Ziel kommen. Gerade heutzugtage ist es nicht so einfach, alles richtig zu machen. Das Gegenteil ist richtig: wir machen ziemlich viel falsch, ich auch.

Aber, Gottlob und Gottseidank! Es gibt Möglichkeiten, sich der Schuld zu entledigen:

  1. Mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen? Nääää. Dann lieber pro Tonne CO2 23€ spenden. Zack, erledigt, Gewissen beruhigt!
  2. Mit dem Kreuzfahrtschiff einfach so durch die Nordsee schippern? Nääää, dann lieber an einer veganen Kreuzfahrt durch die Nordsee teilnehmen, für die Umwelt, weil man müsse ja im Klimaschutz auch mal die Ernährungsfrage stellen. Dafür dann von Neuseeland anreisen, weil man ja nur in der Nordsee vegan herumschippern kann, und an Bord nur vegan-fairtrade-biologische T-Shirts kaufen. Schwubbdiwupp, etwas für den Umweltschutz getan.
  3. Das Auto ist zu groß und verbraucht zu viel? Nääää, dann lieber mit einem Elektro-Roller rumfahren und auf’s Gehen verzichten. Das ist ja viel ökologischer, spart Co2 und schont das Klima.
  4. Fleisch essen? Nääää, wenn, dann zumindest Biofleisch vom Biobauern, von glücklichen Tieren.


Das sind nur ein paar Beispiele dafür, wie relativ leicht wir uns den Sündenablass erkaufen können, oder zumindest daran glauben. Der eigene Lebensstil ist quasi ganz egal, hauptsache man nimmt etwas Geld in die Hand und rucki-zuckisind alle Sünd und Schuld vergeben und vergessen. Wenn man nur genug Gutes tut, dann hebt sich das auf und das persönliche Karma-Konto ist im Haben.

Trotzdem ist es aber so, dass das alles nichts hilft! Denn das Leben ist nicht fair! Man kann sich abtun im Schweiße seines Angesichtes, aber es bleibt dabei: das Leben ist nicht fair.

Und genau so denkt Hiob, wie im heutigen Predigttext geschrieben steht, im Buche Hiob im 23. Kapitel.

Hiob, Sie erinnern sich vielleicht, wird Opfer einer Intrige, eines Paktes zwischen Gott und dem Teufel. Der Teufel sagt, "schau her, der Hiob, der ist nur so gottgefällig, fromm und korrekt, weil es ihm so gut geht." Und daraufhin erlaubt Gott dem Teufel, Hiob alles zu nehmen. Zuerst Haus und Hof, dann Vieh und Kinder.

Doch Hiob bleibt standhaft, lobt Gott und bleibt fromm.

Schließlich darf der Teufel ihm auch die Gesundheit rauben, er wird mit Geschwüren geschlagen. Seine Frau rät ihm, Gott zu verfluchen, doch er bleibt fromm.

Hiob beklagt sich, Hiob jammert, Hiob fragt, woher das alles kommt, womit er das verdient hat.

Ich lese nach der Übersetzung "Hoffnung für alle:"

Lesung: Hiob 23 HFA

II. Das Leben ist nicht fair!

(Verteilung des Hägar-Comics 20080319, warten.)

Das Leben ist nicht fair. Es ist geradezu unfair.

Was Hiob durchgemacht hat, das spottet jeder Beschreibung. Er hat gelitten. Er hat alles verloren.

Wer ist Gott, dass er sich so versuchen lässt? Dass er Hiob den Tod nicht gönnt sondern ihn quält, bis er fast nicht mehr kann und als letzten Ausweg Gott selbst anklagt?

"Ich arbeite hart, aber irgendwas vereitelt mir immer meine Pläne. Das Leben ist nicht fair!"

Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, wer oder was das ist, das immer alles vereitelt, ich will auch keine Erklärung liefern, warum Gott das in der Hioberzählung zugelassen hat, denn ich glaube, es geht um etwas völlig anderes.

In der Karikatur von Hägar stimmt Gott zu, das Leben ist nicht fair.

Und so ist es auch; das Leben ist nicht fair.

Es war einmal das Paradies, Gott und die Menschen lebten friedlich Seite an Seite. Aber dann, Schlange, Apfel, Sündenfall, Vorbei mit dem Frieden auf Erden.

Im Paradies nämlich wäre das Hiob nicht passiert. Aber wir sind nicht mehr im Paradies, Hiob ist nicht mehr im Paradies. Wir sind in der Welt und seit Kafka wissen wir: "Die Welt ist nicht geheizt."

In der Bibel lesen wir über Hiob:

"Im Land Uz lebte ein Mann namens Hiob, der rechtschaffen und aufrichtig war. Weil er Ehrfurcht vor Gott hatte, hütete er sich davor, Böses zu tun. 2 Er hatte eine große Familie mit sieben Söhnen und drei Töchtern 3 und besaß riesige Viehherden: 7000 Schafe und Ziegen, 3000 Kamele, 500 Rindergespanne und 500 Esel, dazu sehr viele Hirten und Mägde. Hiob war der reichste und angesehenste von allen Herdenbesitzern im Osten. " (Hiob 1,1ff.)

Warum ist ihm dann so viel Schlimmes passiert?

In der Geschichte geht es zum zwei Dinge:

  1. Um die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes; und
  2. um die Frage nach der Bedeutung des Handeln des Menschen.

Die beiden Fragen stehen erstmal für sich, sind aber miteinander verbunden.

Denn man könnte auch fragen:

Was muss der Mensch tun, damit Gott gerecht handelt?

Und das ist die richtige Frage.

III. Pharisäer und Zöllner: Wer ist wirklich fromm?

Es gibt unter den Christen die einen, die überzeugt sind, fromm und gerecht zu sein, und die anderen verachten. Jesus nennt sie die "Pharisäer."

Jesus lässt einen beten: "Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. 12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme."

Was tun die Pharisäer heute?

Sie fahren Elektroautos, sind Veganer, spenden für’s Tierheim, gehen hoch erhobenen Hauptes allsonntaglich in die Kirche, beten viel und vor allem für alle sichtbar, übernehmen hohe Ämter in Kirche, Politik und Gesellschaft; und sie tragen es vor sich her wie eine Monstranz, nach dem Motto: "Schaut her, ich bin ganz anders als die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher! Was bin ich doch ein guter, perfekter, lieber Mensch!"

Auf der anderen Seite gibt es den Zöllner, eine Figur vom Rande der Gesellschaft. Man würde heute vielleicht sagen: Verwalter des Geldes der Besatzungsmächte, denn Jerusalem war damals von den Römern besetzt und die Zöllner verwalteten die von den Römern auferlegten Steuern und ließen sie eintreiben. Sie rangierten in der Beliebtheit also etwa auf dem Niveau einer Gerichtsvollzieherin, eines Mitarbeiters in der Parkraumüberwachung, eines Finanzbeamten.

Wobei ich jetzt hier natürlich niemanden persönlich angehen mag!

Was macht der Zöllner in der Geschichte? Was betet er zu Gott?

Gott, sei mir Sünder gnädig!

Und Jesus sagt: "Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener."

IV. Werkgerechtigkeit

Was muss der Mensch tun, damit Gott gerecht handelt?

Was tut Hägar? Er motzt. Wie Hiob.

Und was antwortet Gott? "Du hast recht. Merkst du das erst jetzt?"

Er könnte weiter fragen: "Was hast du denn erwartet?"

Es geht nicht darum, was wir tun.

Es ist erstmal egal, ob man sich anstrengt, ob man sich bemüht, nur sein Bestes gibt, ob man regelmäßig schön betet, den Rasen mäht, sein Auto in die Werkstatt bringt, vegan ist, fliegt oder nicht, in der Nordsee oder in der Karibik herumschippert, ein Haus baut, Kinder bekommt, einen Baum pflanzt, jedes Gramm CO2 durch spenden kompensiert, ob man jeden Sonntag fein-fein in die Kirche geht oder man sonst irgendwie herumheuchelt.

Jesus prangert an:

Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.

Die Werke sind nutzlos, sinnlos.

Zumindest dann, wenn man sich damit selbst erhöhen will, wenn man sich für etwas besseres hält, mit hocherhobener Nase sich sicher wähnt, dass das, was man tut, schon ausreichen werde. Dass man mit dem, was man tut, Gott quasi "zwingen" könnte, einen zu erlösen. Es geht Gott nicht um das, was wir äußerlich tun. Wir können nichts tun. Gott ist unverfügbar. Nicht ein einziges Werk kann die Gnade Gottes bewirken.

Manche Christen glauben ja, wer nur genug betet, wer sich nur gut genug an die Regeln hält, der kommt sicher in den Himmel. Damit hat man den Menschen im 16. Jahrhundert ja auch das Geld aus den Taschen gezogen: "Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!" Ich kann mit keiner Handlung Gott gefallen, ich kann mir auch nicht sicher sein, dass genau diese eine Handlung Gott genügt.

Das Gegenteil ist der Fall: dem Gesetz nach sind wir schon verloren. Das Leben ist nicht fair.

Und das ist mein Kernsatz:

Ich kann nichts tun, um Gott wie auf magische Weise dazu zu bewegen, mir gnädig zu sein.

Ich kann nichts tun, damit Gott mir gnädig ist.

V. Sola Gratia!

Gott ist groß.

Er ist undurchschaubar.

Er kennt den Weg.

Unser irdisches Leben ist nicht für immer.

So halten wir nun dafür,
dass der Mensch gerecht wird
ohne des Gesetzes Werke,
allein durch den Glauben.

Römer 3, 28

Die Gnade ist’s. Allein die Gnade.

Keine Werke, kein Geld, kein Protzen und Prahlen.

Allein die Gnade.

Gott liebt uns und hat einen Plan.

Wir verstehen den oft nicht, machen uns irgendwelche Vorstellunen, wie Gott zu sein hat, wie er zu denken hat, was er zu tun hat. Und manche meinen dann, durch dieses oder jenes Werk den persönlichen Karma-Kontostand in’s Haben zu bringen.

Wer viel Gutes tut, dem geschieht Gutes. Wer viel schlechtes tut, dem geschieht Schlechts. Das ist der alttestamentliche Tun-Ergehen-Zusammenhang.

So haben auch die Freunde Hiobs geredet, der sich gegen Gott gewehrt hat, der Beweise vorlegen wollte, dass er unschuldig ist. Sie haben gesagt: "Du musst etwas getan haben." Und Hiob hat alles abgestritten. Das half ihm aber nicht. Seine ganze Frömmmigkeit half ihm nicht.

Er hat irgendwann erkannt, dass Gott der Herr größer ist als die menschliche Vernunft.

Gott hat Hiob gefragt: "Wer bist du, dass du meine Weisheit anzweifelst mit Worten ohne Verstand?" Und Hiob hat dann geantwortet: "Ja, es ist wahr: Ich habe von Dingen geredet, die ich nicht begreife, sie sind zu hoch für mich und übersteigen meinen Verstand."

Gott ist groß. Wir können ihn nicht begreifen, beurteilen oder ihm irgendetwas vorschreiben.

Gott ist nicht gnädig, weil wir etwas Bestimmtes tun.

"Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben."

Der Glaube an und die Hoffnung auf die Gnade Gottes bringt die Erlösung.

VI. Schluss, Kanzelsegen

Martin Luther schreibt:

Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden,
nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden,
nicht ein Sein, sondern ein Werden,
nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.
Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber.
Es ist noch nicht getan oder geschehen,
es ist aber im Gang und im Schwang.
Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.
Es glüht und glänzt noch nicht alles,
es reinigt sich aber alles.

— Martin Luther, zitiert nach: Evangelisches Gesangbuch Bayern, S. 396

Deshalb stehen wir mit leeren Händen vor Gott, wir haben nichts, um ihn zu besänftigen, ihn gnädig zu stimmen. Wir können nur glauben und hoffen, dass er uns entgegen kommt, dass er uns mit Namen in seine Hand, in sein Erbarmen schreibt, dass er uns aufnimmt in sein gelobtes Land und uns in seinen großen Frieden führt.

Mit dieser Haltung allein kommen wir in den Himmel, und nicht anders.

Amen.

Alexander
Dozent in der Erwachsenenbildung ~ Referent ~ Theologe

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